Rundfunkbeitrag Aktuelles 06.09.2015

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Olaf Kretschmann hat am Montag die Zusammenfassung seiner Gerichtsverhandlund und den Urteilstext veröffentlicht. Interessant ist folgende Aussage in den Ausführungen zum Verhandlungsverlauf:

„Der Richter erklärte, dass das Verwaltungsgericht in Berlin entsprechend seinem Musterurteil zum Verfahren VG 27 K 310.14 davon ausgeht, dass Menschen eine Befreiung erhalten sollten, die keinerlei Empfangsgeräte besitzen. Der Richter bzw. das Gericht seien auf der Suche nach einem Kläger, auf den diese Kriterien zutreffen.”

Nach Ansicht des Gerichts ist der Rundfunkbeitrag rechtmäßig, nur widerspricht sich das Gericht selbst innerhalb seiner Urteilsbegründung. Auf Seite 9 zitiert das Gericht aus der Kammerentscheidung VG 27 K 310.14 vom 22. April 2015:

„Im Gegensatz zur sog. Zwecksteuer, bei der lediglich die Verwendung der Mittel, nicht jedoch deren Erhebung rechtlich beschränkt oder bedingt ist und bei der der Kreis der Abgabepflichtigen und der Kreis der Vorteilsempfänger nicht identisch sein müssen, wird beim Rundfunkbeitrag der Tatbestand der Abgabenlast durch den Abgabenzweck bei gleichzeitiger Verwendungsbestimmung begrenzt.”

Erstmal eine allgemeine Anmerkung: Auch bei Steuern ist die Erhebung rechtlich beschränkt. Die Zeiten, in denen der Fürst seine Geldeintreiber losschicken konnte, wenn die Kassen leer waren, sind vorbei. Der Gesetzgeber muss genau definieren, auf was und in welche Höhe eine Steuer erhoben wird. Dabei liegen normalerweise Zahlen zugrunde, auf deren Basis ermittelt wird, wieviel erhoben werden muss, um eine bestimmte Summe einzunehmen. Dabei kann es natürlich vorkommen, dass mehr eingenommen wird, hier ist keine maximale Einnahmehöhe festgelegt. Die Abgabenlast des Rundfunkbeitrags ist faktisch aber auch nicht begrenzt, wie die aktuelle Verfahrensweise beweist. Obwohl nachweislich mehr eingenommen wird, wurde der Rundfunkbeitrag nur symbolisch gesenkt, der Rest wandert auf ein Sperrkonto, auf dessen Inhalt ARD und ZDF faktisch schon Ansprüche anmelden. In der Verfahrensweise wird beim Rundfunkbeitrag also zur Zeit nicht anders agiert als bei Zwecksteuern. Es kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG aber nicht darauf an, wie etwas heißt, sondern wie es faktisch vollzogen wird. Von daher ist dieser Teil der Aussage des Gerichts nicht haltbar.

Ziehen wir nun aus dem weiteren Teil der Aussage einen Umkehrschluss: Wenn bei einer Zwecksteuer der Kreis der Abgabepflichtigen nicht mit dem Kreis der Vorteilsempfänger identisch sein muss, muss nach Meinung des Gerichts bei dem Rundfunkbeitrag der Kreis der Abgabepflichtigen mit dem Kreis der Vorteilsempfänger identisch sein. Auf Seite 15 führt das Gericht aber aus:

„Der Kläger wird zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen, ist aber nicht gezwungen, das Programmangebot der Rundfunkanstalten zu nutzen.”

Wenn jemand das Programmangebot nicht nutzt, ist er nicht Vorteilsempfänger. Wird er aber zur Finanzierung des Programmangebots herangezogen wird, also abgabenpflichtig ist, sind die Identität der Kreise Abgabenpflichter und Vorteilsempfänger nicht mehr gegeben. Sollte nun wieder mit dem vermeindlichen allgemeinen Vorteil argumentiert werden, den jeder durch die Existenz des öffentlich-rechtlichen Programmangebots haben soll, sei auf die Ausführungen des Gerichts auf Seite 10, Absatz 1 verwiesen:

„Erst soweit darauf abgestellt wird, dass der Rundfunkbeitrag auch den allgemeinen Vorteil abgelten soll, der daraus entsteht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördert und einen Beitrag zur Teilhabe an den demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leistet (vgl. die Gesetzbegründung des Berliner Landesgesetzgebers, Drs. 16/3941, S. 37), handelt es sich um Wohlfahrtswirkungen für die Allgemeinheit, die sich nicht mehr individuell zuordnen lassen.”

Wem also der echte individuelle Vorteil fehlt, kann nicht zum Kreise der Vorteilsempfänger gerechnet werden.

Das Gericht hat auf Seite 15 vor der von mir schon zitierten Aussage ausgeführt, dass die „Zahlung einer Abgabe - hier des Rundfunkbeitrags - [..] als solche nicht mit der Äußerung eines weltanschaulichen oder regigiösen Bekenntnisses verbunden” wäre. Dabei bezieht es sich auf den Nichtannahmebeschluss 2 BvR 1775/02 vom 2. Juni 2003 des BVerfG. In diesem geht es aber um nicht zweckgebundene Steuern, die der Kontrolle des Parlaments unterstehen. Also inhaltlich genau darum, was der Rundfunkbeitrag angeblich nicht sein darf. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk transportiert aber sehr wohl eine Weltanschauung und im Gegensatz zur Krankenversicherung, Wasser- und Stromversorgung u.a. ist auf ihm leicht zu verzichten.

Erklärt das Gericht mit diesen Aussagen nicht indirekt, dass der Rundfunkbeitrag eigentlich doch eine Zwecksteuer ist? Ohne es selbst wahrhaben zu wollen?

Wenn das Gericht auf Seite 9 quasi selbst feststellt, dass der Rundfunkbeitrag „stärker typisierend” als die Rundfunkgebühr ist, das Ganze auf Seite 11 mit Angaben des Statistischen Bundesamtes untermauern will, dann aber Verfahren mit Klägern sucht, die keinerlei Rundfunkgeräte besitzen, ist die rechtliche Schizophrenie vollkommen. Entweder ist der Erhebungstatbestand eine Wohnung ODER es sind die Rundfunkgeräte (auf die es aber angeblich nun nicht mehr ankommen soll). Wenn das Gericht nun aber doch wieder auf die Rundfunkgeräte abzieht, zeigt es doch indirekt, dass der Gesetzgeber unzulässigerweise typisiert hat.

Vielleicht trifft hier indirekt eine Aussage von Prof. Dr. Justus Haucap zu, die dieser im einem Interview mit detektor.fm getätigt hat:
„Kein Politiker möchte sich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anlegen. Das würde ich auch nicht tun als Politiker, denn es ist ganz gefährlich, wenn man in den Medien nicht gut ankommt.”

Was für Politiker ein Problem ist, ist vielleicht auch ein Problem für Gerichte...

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