Rundfunkbeitrag Wohnungsabgabe

Im privaten Bereich soll ab 2013 von Wohnungsinhabern ein Rundfunkbeitrag entrichtet werden, um den vermeindlichen Rundfunkvorteil abzugelten.

Als Inhaber einer Wohnung definiert der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in § 2 Abs. 2 die volljährigen Personen, welche die Wohnung selbst bewohnen. Vermutliche Wohnungsinhaber sind Personen, die dort gemeldet oder im Mietvertrag genannt sind.

Bestimmte Personengruppen können den Beitrag reduzieren oder sich komplett befreien lassen, entsprechendes ist in § 4 geregelt.

Als Wohnung definiert § 3 Abs. 1 jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit (unabhängig von der Anzahl der darin enthaltenen Räume), die

  1. zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird, und
  2. die durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann.

Nicht ortsfeste Wohnungen zählen dann als Wohnung, wenn sie es im Sinne des Melderechts sind. Raumeinheiten in bestimmten Betriebsstätten gelten gemäß Abschnitt 2 nicht als Wohnung.

Sieht man sich in diversen Meldegesetzen die Definition einer Wohnung an (§15 Hessisches Meldegesetz, §7 Niedersächsisches Meldegesetz, §11 Sächsisches Meldegesetz), findet sich dort folgender Satz:
„Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.”
Dort steht nichts von „geeignet”. Warum wurde nicht direkt an den Wohnungsbegriff des Melderechts angeknüpft, sondern der Begriff um „geeignet” erweitert?

Mit der gummiartigen Definition einer Wohnung lassen sich bei Bedarf aus einer Wohnung sehr schnell mehrere Wohnungen konstruieren. In einer WG hat normalerweise jeder Bewohner ein Zimmer, das durch eine Tür von einem Vorraum, dem Flur, abgetrennt ist. Aus einer Wohnung werden so mehrere WG Wohnungen, eindeutig im Wortlaut des Vertrages.

In der Begründung des Rundfunkänderungsstaatsvertrags findet sich auf Seite 11 der Hinweis, dass die Ausführungen zum Eingang „der Abgrenzung zwischen größeren Raumeinheiten (Mehrfamilienhaus) und kleineren Raumeinheiten innerhalb von Wohnungen (einzelne Zimmer)“ dienen soll. Eine WG wäre dann also als eine Wohnung zu verstehen. Das Problem ist nur, das steht so nicht im Gesetz, sondern nur in der Begründung.

Zur rechtlichen Relevanz dieser Begründung bleibt zu sagen, dass diese die gleiche Aussagekraft und Verbindlichkeit haben wird wie die Begründungen zu den RGebStVs der letzten Jahre: Keine. Verwaltungsgerichte sagen regelmäßig, dass das Gesetz entsprechend formuliert sein muss und man nicht in irgendwelchen beigefügten Begründungen nach dem Recht sucht. Ich habe persönlich als Zuhörer in einem Verfahren in Braunschweig miterlebt, wie ein Richter den Vertreter der Sendeanstalt „zur Schnecke gemacht” hat, als der mit dem Begründungstext ankam. Wenn ich also mein Recht damit begründen und einfordern möchte, könnte ein Richter dasselbe mit mir machen.

Die Frage bleibt also: Wo beginnt (gerichtsfest) eine Wohnung? Erwarten würde man bei einem Einfamilienhaus an der Haustür, bei einem Mehrfamilienhaus an der Flurtür. Werden das die Sendeanstalten wirklich auch so sehen? Wenn ich nun in einem Mehrfamilienhaus zwei Einheiten bewohnen würde, sind das dann eine oder zwei Wohnungen?

Einen weiteren Fallstrick birgt der Verweis auf das Melderecht in Form möglicher Zweitwohnungen. In der Nürnberger Erläuterung zu Wohnung, Zweitwohnung und Inhaber liest man zu Wohnung folgendes:.
„Wohnung im Sinne der Steuersatzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Eine Wohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung kann somit zum Beispiel ein Einfamilienhaus, ein Reihenhaus, eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus oder aber auch ein einzelnes Zimmer sein.”
Noch schöner sind die Ausführungen zum Inhaber:
„Inhaber einer Wohnung ist in der Regel der Mieter oder der Eigentümer einer Wohnung.”

Noch expliziter ist die Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Wildau im § 2 Abs. 2:
„Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehat. Eine Wohnung behält ihre Eigenschaft als Zweitwohnung auch dadurch, dass ihr Inhaber sie zeitweilig zu anderen Zwecken oder zeitweilig nicht nutzt. Eine Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Zweitwohnung nicht dadurch, dass ihr Inhaber sie zeitweilig als Kapitalanlage nutzt. Eine ausschließliche Nutzung als Kapitalanlage ist gegeben, wenn der Inhaber die Wohnung im Kalenderjahr nicht für seine private Lebensführung nutzt oder vorhält.”

Wenn eine Wohnung nun aber nicht direkt bewohnt wird, muss dann der Wohnungseigentümer die Abgabe bezahlen? Immerhin können die Gemeinden Abgaben für solche „Zweitwohnungen” erheben, warum dann nicht die Rundfunkanstalten?

Auf rundfunkbeitrag.de kann dazu nachgelesen werden (Stand 01.8.2014):
„Eine leerstehende Wohnung ist beitragsfrei. Eine Wohnung steht leer, wenn dort niemand wohnt, kein Mietvertrag besteht und auch keine Person beim Einwohnermeldeamt für die Wohnung gemeldet ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Wohnung möbliert ist oder nicht.”

Ein weiteres Thema bei Zweit-/Nebenwohnungen sind Wochenendhäuser, Gartenlauben u.a. Gartenlauben nach § 3 Bundeskleingartengesetz sind zwar explizit ausgenommen, das Vorhandensein von Strom und Wasseranschluss können aber Indizien sein, dass ein Gebäude bewohnt werden könnte. In einer Information der Gemeinde Letschin ist das Beziehen einer Wohnung im Sinne des brandenburgischen Melderechts zu bejahen, wenn man die Wohnung/das Wochenendhaus insgesamt eine Woche im Jahr (auch mit Unterbrechungen) genutzt hat.

Es gibt sicher noch eine Menge weiterer Sachverhalte, die zu klären sind, weil die Auslegungsbeispiele ab Seite 9 der Begründung des Rundfunkänderungsstaatsvertrags nicht wirklich weiterhelfen.

Interesssant ist, was Prof. Dr. Dres. h.c. Kirchhoff in seinem Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Seite 65 schreibt:
„Die Haushaltsabgabe gilt deshalb jeden der Wohnung zuzurechnenden Erhalt des Leistungsangebots (Autoradio, Nutzung durch Haushaltshilfe, Dauergäste) ab. Auch für die Zweitwohnung gilt die Regelvermutung, dass der Beitrag für eine Wohnung den Leistungsempfang für alle Wohnungsinhaber entgilt, eine weitere Gebühr für die Zweitwohnung also nicht entsteht. Hier mag zusätzlich zwischen der berufsbedingten Zweitwohnung eines Arbeitnehmers, der Betriebsstätte in einer Zweitwohnung und der Ferienwohnung unterschieden werden”

Es soll also laut Gutachten eigentlich keine Abgabe für weitere Wohnungen anfallen bzw. diese müsssten differenziert werden. Das ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag aber nicht umgesetzt worden.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvR 981/17 vom 18. Juli 2018 bereits als nicht grundgesetzkonform eingestuft und eine Befreiungsmöglichkeit vorgeschrieben.

Nebenbei sei aber die Frage erlaubt: Wieso wird der Erhalt des Leistungsangebots per Autoradio im privaten Bereich der Wohnung zugerechnet, im nicht privaten Bereich nicht?

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