Beiträge müssen dem Zahler Vorteile gewähren, was aber beim Rundfunkbeitrag nicht der Fall ist, da allein das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte keinen Vorteil gewährt. Daher ist nur die Einordnung als Zwecksteuer gemäß § 3 Abs. 1 Abgabenordnung möglich. Gerichte einschließlich des BVerfG haben aber bis jetzt immer auf den vermeindlichen Vorteil abgestellt, den der Rundfunk angeblich für alle haben soll und der den Beitrag rechtfertigen soll. Das BVerfG schreibt in seinen Entscheidungen 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17 und 1 BvR 981/17 vom 18. Juli 2018 im Absatz 102 sogar, dass „der personenbezogene Vorteil [..] nur abstrakt bestimmt werden” kann. Weiter wird dabei die Vermutung aufgestellt, dass Rundfunknutzung in den Wohnungen und Betriebsstätten stattfinden könnte und das dies allein reichen würde. Im Absatz 88 der BVerfG Entscheidungen heißt es:
„Der Gesetzgeber muss keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen.”
Die (ältere) Rechtsprechnung des BVerfG hat aber herausgearbeitet, dass zu Beiträgen nur der herangezogen werden darf, der aus einem öffentlichen Unternehmen einen Vorteil zu erwarten hat und daher an diesen Kosten beteiligt werden soll (BVerfGE 14,312 317f.; BVerfGE 42,233 288). Wenn alle nach Meinung von Gerichten einen Vorteil haben, gibt es keine abgrenzbare Gruppe von Vorteilsempfängern und es kann daher keine Einordnung als Beitrag erfolgen. Gestützt wird dies durch das im Dezember 2014 veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirat im Bundesfinanzministerium, das auf Seite 34 den Rundfunkbeitrag als „Steuer, die einer Zweckbindung unterliegt”, ansieht. Die Argumentation der Gerichte ist damit faktisch falsch, wird aber vom BVerfG vom Tisch gewischt.
Weiter ist die Vermutung der Rundfunknutzung durch die Gerichte irrelevant. Im RBStV ist die Inhaberschaft einer Wohnung oder Betriebsstätte der Auslöser der Zahlungspflicht, nicht die Rundfunknutzung. Die Inhaberschaft einer Wohnung ist aber kein besonderes Merkmal, das eine besondere Abgrenzung einer Gruppe erlaubt, denn eine Wohnung hat quasi jeder (für Betriebsstätten und Betriebsstätteninhaber gilt das analog). Dies ist für die Klassifizierung als Beitrag aber notwendig (BVerfG 9,291 297f.). Interessiet nur das BVerfG heute nicht mehr.
Der Vorteil, den der Rundfunk darstellen soll, ist auch von keinem Gericht einschließlich des BVerfG nachgewiesen, sondern immer nur behauptet worden.
Im Handbuchs des Staatsrechts, Band 5 findet sich auf Seite 1139 eine eindeutige Aussage:
„Eine Abgabe ist jedenfalls immer dann eine Steuer und kein Beitrag, wenn sie Begünstigte und Nichtbegünstigte zur Finanzierung einer staatlichen Leistung heranzieht.”
Verfasser dieses Abschnitts war Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof, der auch das Gutachten verfasst hat, das den Rundfunkbeitrag rechtfertigen soll, dieser sich nach dem vorgenannten Ausführungen nur als Steuer einordnen lässt.
Eine Rundfunkfinanzierung über Steuern sei aber ausgeschlossen, wie uns immer wieder gesagt wird.
Es wird von gleicher Seite öfter das Argument gebracht, dass der Rundfunkbeitrag keine Steuer sein kann, weil Steuern nicht zweckgebunden sein dürfen, sondern über den Haushalt verteilt werden müssen.
Ein Blick auf Absatz 64f der Entscheidung BVerfGE 65, 325 zur Zweitwohnungsteuer fördert folgendes zutage:
„Die Abgabe erfüllt nach ihrem maßgeblichen materiellen Gehalt (BVerfGE 49, 343 [353 ff.]) die Kriterien einer Steuer.
Steuern im Sinne des Grundgesetzes sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft [...]Diese Zweckbindung des Aufkommens der Abgabe steht dem Steuercharakter nicht entgegen.
Zwecksteuern stehen zwar im Gegensatz zu den allgemeinen Steuern zu bestimmten Leistungen und Verwaltungszwecken des Abgabeberechtigten in Beziehung.
Die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, zu deren Finanzierung Zwecksteuern dienen, hat aber nicht den Charakter einer Gegenleistung des Abgabeberechtigten zugunsten des Abgabepflichtigen.
Der Kreis der Abgabepflichtigen ist darum bei den Zwecksteuern auch nicht auf solche Personen begrenzt, die einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem öffentlichen Vorhaben ziehen (BVerfGE 49, 343 [353 ff.]).”
In der gleichen Entscheidung findet sich im Absatz 73 etwas zu Aufwandsteuern:
„Wie in den Entscheidungen BVerfGE 16, 64 (74) und 49, 343 (354) angeführt, soll die Aufwandsteuer die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen.”
Die Leistungsfähigkeit wird beim Rundfunkbeitrag nicht berücksichtigt, der „Verbrauch von Rundfunk” soll gerade keine Rolle spielen.
Der Rundfunkbeitrag lässt sich also auch nicht in die Kategorie Verbrauchs- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2a GG einordnen.
In der Entscheidung 1 BvR 668/10 vom 25.6.2014, in der die Abgrenzung Steuer/Beitrag anhand von Straßenausbaubeiträgen durchdekliniert wird, findet sich in Absatz 53 folgende Aussage:
„Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt, muss auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden.”
Was ist der individuell-konkrete Sondervorteil von Rundfunk, bezogen auf eine Wohnung oder eine Betriebsstätte? Dem Bürger muss er scheinbar keinen Vorteil oder Nutzen bringen. Wenn es aber keinen Vorteil gibt, kann es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um einen echten Beitrag im Sinne der Abgabenordnung handeln.
Wenn der Rundfunkbeitrag faktisch eine Steuer ist, stellt sich weiter die Frage, ob die Bundesländer berechtigt waren, eine solche Steuer zu beschließen oder ob eine Kollision mit Bundesgesetzen vorliegt (Art. 74 GG). Beispielsweise werden in § 9 RBStV Auskunftspflichten von Vermietern und Verwaltern festgelegt. Deren Rechtsrahmen in Form von Mietrecht und Wohnungseigentumgesetz basiert auf Bundesgesetzen.
Teilweise wird von Gerichten argumentiert, der Rundfunkbeitrag wäre keine Steuer, da die Möglichkeit der Rundfunknutzung eine konkrete Gegenleistung darstelle.
Diese Sichtweise steht konträr zur Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seiner zweiten Rundfunkentscheidung BVerfGE 31, 314.
In Absatz 39 steht:
„Die für das Bereithalten des Empfangsgeräts zu zahlende "Gebühr", die der Anstalt des betreffenden Landes zufließt, ist unter diesen Umständen nicht Gegenleistung für eine Leistung, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung.”
Der Zweck des heutigen Rundfunkbeitrags hat sich nicht geändert, wie man § 1 RBStV entnehmen kann:
„Der Rundfunkbeitrag dient der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 des Rundfunkstaatsvertrages.”
Überführt man das Zitat des BVerfG in die heutige Zeit, müsste es lauten:
„Der für das Innehaben einer Wohnung zu zahlende "Beitrag", der der Anstalt des betreffenden Landes zufließt, ist unter diesen Umständen nicht Gegenleistung für eine Leistung, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung.”
Der Beitrag hat also keine Gegenleistung.
Nur interessiert das das BVerfG heute nicht mehr.
Ein Grundsatz der Typisierung ist, dass wesentlich Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Bei der Wohnungsabgabe werden Wohnungsinhaber mit Möglichkeit zum Rundfunkempfang und solche ohne diese Möglichkeit als eine Gruppe angesehen, das könnte aber noch in den Grenzen der Pauschalierung liegen. Die Anzahl der Bewohner einer Wohnung wird nicht berücksichtigt, dadurch ergibt sich, dass ein Single deutlich mehr zahlen muss. Bei Betriebsstätten ist es gerade umgekehrt, hier ist nicht die Betriebsstätte allein ausschlaggebend, es muss an dieser auch Arbeitsplätze geben und es wird nach Anzahl der Mitarbeiter gestaffelt. Kleine Betriebe zahlen so zwar absolut weniger, relativ pro Mitarbeiter aber mehr. Das verletzt das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Dr. Hermann Eicher, Justiziar des SWR, ist einer der beiden Autoren des Artikels „Die Rundfunkgebührenpflicht in Zeiten der Medienkonvergenz”, veröffentlicht in „Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht” 12/2009. Dort kann man folgendes lesen:
„Verfassungsrechtlich bedenklich ist schließlich die Reformvariante einer geräteunabhängigen Haushalts- und Betriebsstättenabgabe. Insofern ist fraglich, ob eine solche Abgabe den vom BVerfG(Vgl. BVerfGE 55 274(303 f.) = NJW 1981, 329) entwickelten Anforderungen an eine Sonderabgabe genügt und eine Inanspruchahme auch derjenigen, die kein Empfangsgerät bereithalten, vor Art. 3 I GG Bestand hätte.”
„Dass der Gesetzgeber nicht an den Umsatz oder die Mitarbeiterzahl angeknüpft hat, ist gerechtfertigt, da diese Kriterien schwanken und schwer zu verifizieren sind (Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 10.7. 1990 - 14 S 1419/89).”
Im privaten Bereicht hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvR 981/17 vom 18. Juli 2018 die Erhebung für Zweitwohnungen bereits als nicht grundgesetzkonform eingestuft und eine Befreiungsmöglichkeit vorgeschrieben. Im nicht privaten Bereich darf weiter kräftig zugelangt werden.
Jeder Wohnungsinhaber und jeder Betriebsstätteninhaber wird von den Rundfunkanstalten in einem bundesweiten, zentralen Register erfasst. Dies ist Meldebehörden aus Datenschutzgründen nicht erlaubt. Weiter werden persönliche Merkmale wie Hartz IV Empfang u.a. erfasst. Das verletzt die informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Interessanterweise mit das Bundesverfassungsgericht in Absatz 133 dazu Stellung. Obwohl diese Weitergaben in einigen Bundesländern gegen die Landesverfassung verstoßen, sieht das BVerfG darin kein Problem und sich nicht zuständig.
Menschen müssen sich keine Informationen aufdrängen lassen und haben daher das Recht, Rundfunk nicht zu nutzen. Diese negative Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG wird möglicherweise beschnitten, weil man durch den Rundfunkbeitrag den Rundfunk finanzieren muss.
Das Bundesverfassungsgericht hat in Absatz 135 der aktuellen Entscheidung ausdrücklich betont, dass es darüber nicht entscheidet, weil ja niemand die Angebote nutzen muss.
Wer aus religiöser Überzeugung Rundfunk (bzw. das Fernsehen) ablehnt, wird durch den Rundfunkbeitrag gezwungen, den abgelehnten Rundfunk zu finanzieren. Das verletzt die Religionsfreiheit aus Art. 4 GG.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einem Leserbrief vom 13.01.2013 hinweisen, der zu diesem Thema passt.
Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2011 entschieden, dass Rundfunkgebühren das Existenzminimum nicht beschneiden dürfen. Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sind analoge Regelungen wie im Rundfunkgebührenstaatsvertrag enthalten. Eine Befreiung bei Beschneidung des Existenzminimums ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht direkt vorgesehen, sonden kann nur über § 4 Abs. 6 im Einzelfall erteilt werden. Eine Ablehnung der Befreiung würde dann zur Klage berechtigen.