Diese Meldung in der Jahresübersicht 2014
Dem Protokoll der 32. Sitzung des Parlamentarischen Rates vom 11.01.1949 lassen sich ein paar Zitate entnehmen, die zeigen, dass damals in der Rundfunkfrage viel weiter in die Zukunft gedacht wurde, als es die Politik heute vermag:
„Ich halte es für falsch, die zukünftige Form des Rundfunks ein für allemal in der Verfassung festzulegen.” (Dr. Süsterhenn).
„Die technische Entwicklung kann es vielleicht bald ermöglichen, daß beinahe jeder seine eigene Wellenlänge hat.” (Dr. Eberhard).
Es hat zwar fünfzig Jahre gedauert, aber das Internet stellt heute jedem, der das will, seine „eigene Wellenlänge” zur Verfügung. Für die heutige Politik ist Internet immer noch „Neuland”, für die damaligen Politiker eigentlich gar nicht vorstellbar. Das macht den damaligen Weitblick um so bemerkenswerter.
Die heutige Politik spricht immer von der Medienkonvergenz, die unter anderem begründen sollte, warum 2007-2012 für PCs Rundfunkgebühren entrichtet werden sollten. Auch die Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag wurde damit begründet, weil man die einzelnen Empfangsgeräte nicht mehr zuordnen könne und deshalb ein anderes Erfassungskriterium bräuchte. Hier zeigt sich die Rosinenpickerei der Politik: Wenn pauschal Geld eingetrieben werden kann, ist die Medienkonvergenz nützlich. Die Kehrseite der Medienkonvergenz, dass bei internetbasiertem Rundfunk eine Zuordnung zum Rundfunknutzer eindeutig möglich ist, wird ignoriert bzw. mit Hinweisen auf möglichen Missbrauch als nicht praktikabel dargestellt. Beim elektronischen Personalausweis gilt das dann nicht mehr, und private Streaming-Anbieter haben überhaupt kein Problem damit, bei ihren Nutzern passende Abrechnungen durchzuführen. Diese müssen nicht typisieren, wie es die Landesverfassungsgerichte für die öffentlich-rechtlichen Anstalten als unabwendbar dargestellt haben.
„Ihre Grenze findet die Typisierung im Gebot einer hinreichend realitätsgerechten, damit dem Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab Rechnung tragenden Abgabenbelastung (BVerfGE 99, 280 (290); 105, 73 (127); 117, 1 (31); 122, 210 (232 f.); 123, 111 (121)).
Einen Beitrag zu erheben, obwohl mit angemessenem Verwaltungsaufwand verifiziert werden kann, dass der Rundfunkempfang tatsächlich ausgeschlossen ist, verbietet sich daher.”
Das Zitat stammt nicht aus einem Gutachten gegen den Rundfunkbeitrag, sondern ist auf Seite 35f im Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hanno Kube zu finden, das im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erstellt wurde.
Der Aufwand für im Internet agierende Firmen, den Zugang ihrer Kunden zu kontrollieren, ist Tagesgeschäft. Teilweise ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben (Jugendschutz u.a.). Das kann also auch von den Rundfunkanstalten erwartet werden. Nur weil Gerichte das pauschal verneinen, kann man auf die abwegige Begründung kommen, dass in Wohnungen und Firmen, in denen - wenn überhaupt - nur PCs stehen, die angeblichen Vorteile des Rundfunks auf die Inhaber wirken würden.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Grundrechte des Einzelnen in das Zentrum des Staatsauftrags gestellt, als diese Grundrechte in Artikel 1-19 niedergelegt wurden. Die Würde des Menschen unterliegt sogar der Ewigkeitsklausel. Rundfunk ist für die Menschen kein lebensnotwendiges öffentliches Gut wie etwa eine eine funktionierende Wasserversorgung oder Müllabfuhr, bei deren finanzieller Beteiligung des Einzelnen es objektiv gute Gründe gibt. Diese sind aber auch nicht mit politischen Überzeugungen verbunden. Rundfunk gehört vielmehr zur Kategorie der meritorischen Güter und muss den Anforderungen genügen, die aus der verfassungsrechtlich unwiderruflich verankerten (Entscheidungs-)Autonomie jedes Einzelnen hervorgehen. Unabwendbare Zwangsfinanzierungen sind das Gegenteil von Entscheidungsautonomie. Verschärfend kommt hinzu, dass wegen der modernen technischen Gegebenheiten eine solche Zwangsfinanzierung der Meinungsbildung schlicht nicht mehr begründet werden kann. Wenn nun Gerichte Entscheidungen fällen, die Menschen dazu "verurteilen", eine vermeintliche Staatsaufgabe Rundfunk zu finanzieren, nur weil sie da ist und genutzt werden könnte, und ein Eingriff in die Grundrechte verneint bzw. als nicht schwerwiegend angesehen wird, müssen sich diese Gerichte nicht wundern, dass der juristische Berufsstand einen solch schlechten Ruf hat.
Auch das lässt sich im Protokoll des Parlamentarischen Rates nachlesen:
„Man weiß nicht, worauf die Juristen kommen.” (Vors. Dr. v. Mangoldt).
Wer es selbst nachlesen möchte:
Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle Band 5/II Ausschuss für Grundsatzfragen, (c) 1993 Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein, ISBN 3-7646-1925-2, S. 654, S. 931f