Rundfunkbeitrag Aktuelles 14.05.2016

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Das Urteil 6 C 6.15 des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2016 (PDF) kann man als Beispiel für die Aussage des Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Willi Geiger ansehen, die dieser in der Deutschen Richterzeitung 9/1982 getätigt hat:

„In Deutschland kann man, statt einen Prozess zu führen, ebenso gut würfeln.”

Wobei beim Würfeln eine echte Chance auf einen Sieg besteht, während bei den Rundfunkbeitragsprozessen der Ausgang schon feststeht und die Gerichte dafür alle störenden Meinungen und Fakten einfach übergehen.

Der vermeintliche Vorteil, öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen zu können und welcher daher als Rechtfertigung der Beitragserhebung dient, ist laut Meinung des Gerichts gegeben. Es beruft sich dabei unter anderem auf die Entscheidung 1 BvR 668/10 vom 25.6.2014 (u.a. in Absatz 26). Zu dieser Entscheidung des BVerfG hatte ich mich bereits am 09.11.2014 und am 09.11.2015 ausgelassen: Es mag ja sein, dass man auch eine unbestimmte Anzahl von Personen zu einer Beitragspflicht heranziehen kann, allerdings muss der Vorteil auch anhand des Anknüpfungspunktes definiert sein. Eine wohnungsbezogende Definition des Vorteils bezüglich des Rundfunkempfang ist das Gericht aber schuldig geblieben.

Das Gericht begründet den Anknüpfungspunkt Wohnung im Absatz 29f lediglich damit, dass in den Wohnungen typischerweise Fernsehgeräte (und andere Empfangsgeräte) vorzufinden wären. Aber war nicht eine der Aussagen der Umstellung, dass es auf die Empfangsgeräte nicht mehr ankommen soll? Zumindest ist das auf Seite 6 der Begründung des Rundfunkänderungsstaatsvertrags zu finden:

„Konnte zur Typisierung dieses Sachverhalts herkömmlich an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts angeknüpft werden, spiegelt dies den typischen Tatbestand im privaten Bereich angesichts der Konvergenz der Medien nicht mehr hinreichend wider, zumal Empfangsgeräte zunehmend an Mobilität gewinnen. Damit hat der Gerätebezug seine normative Abgrenzungskraft verloren.”

Wenn also Geräte nicht mehr der Maßstab sein sollen, warum zieht das Gericht deren Verbreitung als Begründung heran? Der Gesetzgeber hat es in seiner Begründung offensichtlich nicht getan. Es ging dem Gesetzgeber auch nicht um den Vorteil für Wohnungsinhaber, wie ein weitere Satz auf Seite 6 der Begründung zeigt:

„Die Beitragspflicht besteht unabhängig von der tatsächlichen Rundfunknutzung, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk der gesamten Gesellschaft nutzt.”

Wenn der Rundfunk also der gesamten Gesellschaft nutzt, wieso sollen nur Wohnungsinhaber und Betriebsstätteninhaber dafür zahlen? Die ganzen Ausführungen mit dem Vorteil und der Verbreitung der Empfangsgeräte entpuppen sich somit als nachträgliche Rechtfertigungsversuche für einen verkorksten Gesetzestext. Man wollte den Geldeinzug vereinfachen und hat dafür andere Anknüpfungspunkte gewählt, die aber sachlich nicht wirklich passen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt das in Absatz 32 sogar selbst fest:

„Das Innehaben einer Wohnung allein reicht nicht aus, Rundfunkprogramme zu empfangen. Der Gesetzgeber hat das Merkmal "Wohnung" gewählt, weil mit ihm der Inhaber der Wohnung als der Beitragsschuldner unschwer festgestellt werden kann.”

Es wird dann im folgenden wieder mit der „Flucht aus der Rundfunkgebühr” argumentiert, die den Wechsel des Anknüpfungspunktes notwendig gemacht haben soll. So ist in Absatz 33 zu lesen:

„Die gleichmäßige Erhebung der Rundfunkgebühr litt daran, dass der Gebührentatbestand des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgeräts gegen den Willen des Gerätebesitzers nicht verlässlich festgestellt werden konnte. Die Gebührenzahlung ließ sich dadurch vermeiden, dass ein Gerät nicht angezeigt wurde. Dies stellte zwar eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV). Das Risiko, belangt zu werden, war aber gering, weil die Rundfunkanstalten keine hinreichende Aufklärungsmöglichkeit besaßen.”

Merkwürdig, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss 1 BvR 199/11 vom 22. August 2012 ein ausreichend hohes Entdeckungsrisiko bei der Rundfunkgebühr festgestellt. Wer lügt hier?

Im bereits erwähnten Absatz 32 findet sich auch folgende Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts:

„Das Merkmal des Bereithaltens eines Empfangsgeräts weist eine größere Nähe zu dem erfassten Vorteil als das Merkmal des Innehabens einer Wohnung auf.”

Es wurde also eine passendere Typisierung durch eine unpassendere Typisierung ersetzt, was unzulässig ist. Entweder man wechselt die Typisierung, weil die alte nicht mehr passt oder man muss es unterlassen.

Die Ausführungen des Gerichts, dass man Empfangsgeräte nicht entdecken könnte, sind auf dieser Webseite schon mehrfach als Schutzbehauptung nachgewiesen worden (30.06.2015, 18.03.2016, 27.03.2016 u.a.). Entsprechende Weichen hätten vor Jahren gestellt werden können, wurden aber vermutlich bewusst verzögert. So startet Ende des Monats DVB-T2, was durch entsprechende Teilnehmerkonten die Chance dargestellt hätte, die Nutzung exakt festzustellen. Bei allen Geräten, die über Internetdienste versorgt werden, ist dies sowieso möglich. Das will man aber nicht, denn dann würde vermutlich herauskommen, wie wenig die Zusatzangebote von ARD und ZDF wirklich genutzt werden. Die typischen Nutzer sitzen vermutlich zur Hauptfernsehzeit zuhause vor der Glotze. Auch wenn diese in allen Haushalten rumstehen, wie das Gericht festgestellt hat, sagt das nichts über die echte Nutzung aus.

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